1000LUX

Geschichten aus Luxemburg

dēcadentia

Manchmal gibt es so Worte, die benutzt man und es fehlt die bildliche Vorstellung was das Wort eigentlich heißt. Dann gibt es drei Mögichkeiten. Der abnehmenden Sortierung ist eine steigende Empfehlung zugeordnet. Beziehungsweise ein sinkendes Maß der Nichtempfehung.

1) Es akzeptieren und dumm beiben. 2) Gevatter Wörterbuch fragen und eine Antwort der Lesart “Verfall, Entartung, sittlicher und kultureller Niedergang;” mit der Herleitung “lateinisch: dēcadentia, von dē = von, weg und cadere (→la) = fallen” bekommen. 3) Sich ein praktisches Beispiel suchen woran das Wort festgemacht werden kann.

Im Einzelnen konkreten Fall geht es mir heute um Dekadenz. Ich lebe in Luxemburg, dem Land der Bänker und Porsches, der schönen Innenstädte und teuren Boutiquen. An eben so einer ging ich vorbei, als mir was ins Auge stach. Die Szene beschrieb sich wie folgt.

Zwischen zwei aufgetakelten Schaufensterpuppen stand ein Tischchen. Dereinst sagte ein Schaufenstergestalter, dass auf dieses Tischlein jemand einen Bildschirm stelle, auf dem Bilder weiterer Modelle gezeigt werden. Unter dieser Maßgabe stellte jemand einen Apple iMac ins Schaufenster, auf dessen Bildschirmschoner Bilder sanft hin und her wechseln. In Baumärkten gibt es für sowas alte flimmernde 14-Zoll-Fernseher. In dieser Boutique entschied man sich dafür lieber einen 1800 Euro teuren Computer zu kaufen, der nun Tag und Nacht seinen Bildschirmschoner zeigt und sonst nur Nullen über die Halbleiter schubst. Die Wirkung hats nebenbei auch verfehlt. Die Damen mit denen ich unterwegs war haben der Konstellation keinen Blick geäußert und ich glaube, dass ich bei hochhakigen Schuhen und teuren Abenddress’ auch nicht das Zielpublikum war.

Wenn mich in Zukunft jemand nach Dekadenz fragt, erzähle ich von diesen Modegeschäft.

14. August 2009